Black Box - White Cube: Neue Narrative, Vielfalt der Formen, ästhetische Wagnisse oder uralte Blockaden?

Einblicke in den Workshop für und mit Künstler*innen

Von Heinrich Horwitz

Freie Darstellende Künste schaffen Räume für Vielfalt, Empathie und gesellschaftliche Erneuerung – jenseits von Marktlogik und politischer Vereinnahmung. Heinrich Horwitz fasst den Workshop der Künstler*innen zusammen und plädiert für Schutz, Teilhabe und stabile Förderstrukturen.

Wir als vielfältige freie Masse der Künstler*innen begreifen die Kunstfreiheit nicht nur als ein allgemeines Grundrecht, sondern als Voraussetzung für den Erhalt und die Weiterentwicklung einer demokratischen, offenen Gesellschaft. Heute, in Zeiten weltweit erstarkender Autokratie und rechtsradikaler Parteien, wird ihre Bedeutung besonders deutlich: Die Freien Darstellenden Künste sind der Raum, in dem wir ästhetische Visionen für Zukünfte entwerfen können, festgefahrene Grenzen infrage stellen und Empathie erfahrbar machen können. Wo Kultur kanonisch limitierend wirkt, erproben wir Freiheit. Wir können agieren. Wir sind befähigt – und das verstehe ich auch als unseren Auftrag – Gesellschaft in Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit abzubilden, zu erproben und uns immer wieder in infrage zu stellen. Damit diese transformative Kraft entfaltet werden kann, braucht es jedoch stabile und zugleich offene Rahmenbedingungen und eine dynamische Förderung. Sie braucht heute mehr denn je den Schutz der Institution und deren Unabhängigkeit gleichermaßen und das auch und unbedingt als Zeichen aus dem Bund und auf Bundesebene.

In den Workshops gab es dann eine Art Forderung, die heißt: keine Kürzungen von Barriereabbau; eine Kulturversorgung, die im Grundgesetz verankert ist. Eine Art Mindestversorgung. Aber auch Kulturpolitiker*innen, die Expertise und Liebe im weitesten Sinne mitbringen und uns vertreten können. Theater und Produktionshäuser müssen darin gestärkt werden, Zugänge für Minderheiten und sichere Räume zu schaffen, in denen kontroverser Austausch möglich ist und echte Meinungsbilder entstehen können. Künstler*innen und Institutionen müssen ermutigt werden, verletzliche Ausdrucksformen und künstlerische Experimente zu wagen. Es braucht Schutz vor politischer Vereinnahmung und ökonomische Strukturen, die auch weiterhin Minderheiten Zugang ermöglichen, sowie sichere Räume, in denen verletzliche Ausdrucksformen gelebt werden können, in denen im weitesten Sinne eben auch Fehler passieren dürfen. Das ist nicht nur Ländersache, sondern muss in einen größeren Schutzzusammenhang gebracht werden. Freiheit in der Themenwahl, in der Art des Sprechens und des Nicht-Sprechens, in der Ansprache an Publikum und gleichzeitig die Ausweitung einer solidarischen Gemeinschaft.

Wir als freie, darstellende Künstler*innen haben in den letzten Jahren Strukturen geschaffen, die Gesellschaft abbilden. In aller Vielfältigkeit und Diversität sind wir zumindest nah dran. Wir hinterfragen auch eigene verkrustete Strukturen und sind damit vielen anderen Kunstformen weit voraus.

Kunstfreiheit ist kein Selbstläufer. Sie verlangt kontinuierliche Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen, mit Diskriminierungen und mit den Barrieren, die Menschen von Teilhabe ausschließen. Welche dystopischen und oder utopischen Möglichkeitsräume dort warten. Und das muss in unabhängigen Künstler*innenköpfen bleiben dürfen, nur so bleiben wir auch vielfältig. Ein Vorschlag aus dem Workshop war: Einmal die Woche Kunst und Kultur im Bundestag. In einer zukunftsgerichteten Perspektive sehen wir uns als Labor für Erneuerung. Sie muss experimentieren dürfen, ohne Angst vor Zensur oder Existenzverlust. Sie braucht digitale Infrastruktur, die solidarisch und inklusiv gedacht ist, ebenso wie öffentliche Fördermodelle, die Diversität nicht als Schlagwort, sondern als gelebte Praxis begreifen. Sie braucht Räume wie flausen oder wie das Bündnis internationaler Produktionshäuser. Wir bleiben nur handlungsfähig, wenn wir nicht als Ware, sondern als Gemeingut verstanden werden, wenn unser Wert sich anders abbildet, denn in der kapitalistischen Logik. Ein Gemeingut, das auch allen zugänglich sein muss, in unterschiedlichen Formen, an unterschiedlichen Orten, in unterschiedlichen Zusammenhängen. In diesem Sinne ist die Gewährleistung von Kunstfreiheit ein Versprechen auf Zukunft. Eine Zukunft, in der wir viele Stimmen, viele Körper und viele Geschichten erlebbar machen können. Vielen Dank! 

Das BUNDESTREFFEN25 stellte in Kooperation mit starken Partner*innen einzelnen Gruppen geschlossene Räume zur vertieften Reflexion bereit. In dem hier veröffentlichten Statement fasste Heinrich Horwitz die Ergebnisse des Workshops "Black Box - White Cube: Neue Narrative, Vielfalt der Formen, ästhetische Wagnisse oder uralte Blockaden?" für und mit Künstler*innen am Ende des zweiten Veranstaltungstages zusammen.