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Under Pressure

By Thomas Kaestle

Das BUNDESTREFFEN25 der Freien Darstellenden Künste im HAU Hebbel am Ufer in Berlin unter dem Motto „The Show Must Go On“ als Gelegenheit für Zusammenkunft, Austausch, Zustandsbeschreibung, Diskussion und Ausblick. Eindrücke der zwei Veranstaltungstage von Kulturjournalist Thomas Kaestle.

© Dorothea Tuch

Der Titel des BUNDESTREFFEN25 der Freien Darstellenden Künste trägt stabil durch zwei Veranstaltungstage und weit darüber hinaus – mit einem fest verankerten Platz im kollektiven Popkultur-Gedächtnis und fast unendlichem Assoziationspotenzial: „The Show Must Go On“ mag seit Jahrhunderten ein geflügeltes Wort sein, zum Fliegen bringt es vor allem der gleichnamige Song der Band Queen aus dem Jahr 1991, damals eine Art trotzige Behauptung vor dem absehbaren Tod des Sängers Freddy Mercury. Dessen Zeilen sind während der Veranstaltung allgegenwärtig. Und sie sind ergiebig, selbst bei harter Beanspruchung in vielen Wortbeiträgen, sind dehnbar und dankbar, bieten eine Basis für Weisheit, Hoffnung, Pathos, Komik und schließlich für einen rührenden Kinderchor der nächsten Generation: Drama, Baby!

Am 25. und 26. September 2025 trafen sich mehrere hundert Akteur*innen der frei produzierenden Darstellenden Künste sowie Menschen aus Zivilgesellschaft, Kulturpolitik und Kulturverwaltung im HAU Hebbel am Ufer in Berlin. Dass deren Rollen innerhalb der freien Szene oder in Bezug zu ihr vielfältig sind und ganz unterschiedliche Erfahrungen, Bedarfe und Ansprüche bedeuten, ist wesentlicher Teil der Veranstaltung. Künstler*innen, Kurator*innen, Intendant*innen, Ermöglicher*innen, Unterstützer*innen und Rahmensetzer*innen setzen sich gemeinsam in Grußworten, Statements, Podiumsdiskussionen und Workshops mit dem Zustand der Freien Darstellenden Künste auseinander, blicken mit Sorge, Hoffnung und Visionen in die Zukunft: Was wirkt in der aktuellen Wirklichkeit? Was könnte anders oder besser wirken?

Differenz oder Gemeinschaft oder beides zugleich

Bevor die Band Queen die Worte „The Show Must Go On“ für die Gegenwart neu geprägt hat, hatten diese längst einen Theaterbezug. Im 18. Jahrhundert wurden sie in der Zirkuswelt üblich in Situationen, in denen etwas schiefging oder gar Gefahr drohte: als Beschwichtigung, Beruhigung und Vergewisserung für Publikum und Performer*innen. Auch beim BUNDESTREFFEN25 stehen Herausforderungen im Raum, die von vielen Anwesenden als Bedrohung von Kultur und Künsten empfunden werden. Was lange Zeit zwar nicht selbstverständlich war, aber sich doch stetig entwickeln konnte, ist ins Rumpeln geraten: Teile von Politik und Gesellschaft stellen Definition, Rolle und Bedeutung von Kultur neu in Frage. Polarisierung, Ideologisierung und Instrumentalisierung bedeuten oft nicht nur einen Kampf um Fördermittel. Es geht ums Ganze: um Freiheit und kritisches Potenzial, um Erlaubtes und Notwendiges.

Das BUNDESTREFFEN25 hinterfragt den Status Quo einerseits durch das Ausloten von Differenzen, andererseits durch das Behaupten von Gemeinschaft. In der Notwendigkeit einer starken kollektiven Stimme schwingt auch immer der Umstand, dass das große Potential der Freien Darstellenden Künste in deren Heterogenität liegt, in Vielfalt, Differenz und Anderssein, jenseits des Erwartbaren, des Dagewesenen, des Durchschnitts – visionär, progressiv, in die Zukunft schauend und denkend, effektiv und produktiv, aber auch autonom und ergebnisoffen. Dabei dürfen die Künste durchaus Zwecke verfolgen. Die dürfen ihnen aber nicht von außen auferlegt sein, sondern müssen von innen heraus selbst gesetzt werden. Das BUNDESTREFFEN25 fragt immer wieder: Wie politisch können, dürfen und sollen die Künste sein? Und: Können sie überhaupt unpolitisch sein?

Performance, Politik und notwendige Zwischentöne

Annemie Vanackere, Intendantin des HAU Hebbel am Ufer, fragt zunächst nach dem fehlenden Fragezeichen: Müsste nicht offen bleiben, ob die Show weitergehen soll? Dahinter steht kein Kokettieren, sondern vielmehr die Bereitschaft der freien Szene, etablierte Strukturen, Haltungen und Herangehensweisen zur Debatte zu stellen. „Welche Show soll eigentlich weitergehen?“, fragt Vanackere sehr grundsätzlich, singt die erste Zeile des Queen-Songs und eröffnet so den Reigen zahlreicher Zitate: „Empty spaces, what are we living for?“ Ein gut zweiminütiger Filmtrailer des Fonds versammelt selbstbewusst Eindrücke aus der bestehenden Praxis: die Freien Darstellenden Künste als Blockbuster für die ganz großen Leinwände. Er deutet Genres, Potentiale, Haltungen, Werte und Strategien an – und beantwortet Vanackeres Frage nach dem Fragezeichen vorläufig: „The Show Must Go On. The Show Will Go On. The Wow Goes On.“

„Natürlich können wir auch Überwältigungstheater“, kommentiert Holger Bergmann, Geschäftsführer des Fonds Darstellende Künste, trocken, weist dann aber darauf hin, wie viel Gemeinschaftsleistung der Szene in so einem bunten Gesamteindruck steckt – und eben auch im Willen zu Resilienz und Weitermachen. Das ständige Hinterfragen gehöre dazu, so Bergmann, das Erzeugen von Widersprüchen und das Ausreizen von Freiheitsgrenzen. All diese Strategien seien aber nicht den Künsten vorbehalten. Vielmehr arbeite auch die Politik zunehmend mit Inszenierungen und klug konstruierten Erzählungen, nutze das Performative mit dem Ziel, Freiheiten einzuschränken. Angesichts zunehmender politischer Pauschalisierungen sei das gemeinsame Aushandeln in großen Zusammenkünften wie dem BUNDESTREFFEN25 wichtig, um zwischen Schwarz und Weiß unzählige Zwischentöne zu erzeugen und zuzulassen.

Mercury, Bowie, Show und Druck

Auch Konrad Schmidt-Werthern, leitender Beamter beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, betont in seinem Grußwort die Bedeutung von Sinnlichkeit, Augenblicken und Reflexion. Er weist auf den deutlichen Aufwuchs des Förderbudgets des Fonds noch im Jahr 2025 hin und macht Hoffnung für das kommende Jahr. Vor allem verweist er aber auf den Koalitionsvertrag und dessen deutliches Bekenntnis zu Kunst und Kultur. Dass Schmidt-Werthern bei seinen Gedanken zum Motto „The Show Must Go On“ irgendwann Freddy Mercury und David Bowie verwechselt, sorgt gleich für den nächsten Ohrwurm. Schließlich hatten Mercury und Bowie mal einen gemeinsamen Hit: Dessen Titel war „Under Pressure“. Um den Druck auf Künste, Kultur und Gesellschaft geht es in vielen anderen Grußworten, Reden und Statements während des BUNDESTREFFEN25 – der Erfolg populistischer Parteien in Deutschland, deren Kulturkampf gegen alles, was für Vielfalt, Fortschritt und kritisches Hinterfragen steht, und das weltweite Erstarken des Autoritarismus mit entsprechenden Verboten und Repressionen bereiten den Anwesenden zurecht große Sorge.

Nancy Faeser, ehemalige Innenministerin und SPD-Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien des Bundestages, sagt deutlich: „Kunst braucht Demokratie und Demokratie braucht Kunst.“ Sie wendet sich entschieden gegen inhaltliche Steuerung und Einflussnahme und fordert, im Sinne der Kunstfreiheit niemals Bedingungen an Kulturförderung zu knüpfen. „Wir müssen alles dafür tun, dass wir miteinander im Gespräch bleiben können, dass Debatte funktioniert“, sagt Faeser – und bezeichnet die freie Szene als gesellschaftlichen Resonanzraum, der einen niedrigschwelligen Zugang zu Kultur und kultureller Bildung ermögliche und verlässliche Arbeit für die Stabilisierung der Demokratie leiste. Um diesen zu stärken, so Faeser, gelte es unter anderem, tragfähige Alternativen zur Projektfinanzierung zu finden. Und dann wird sie verbindlich: „Unsere Kultur ist das Fundament unserer Freiheit. Diesen Satz gilt es nun mit Leben zu füllen. Und ich sage Ihnen als Kulturpolitikerin zu: Auch mit den entsprechenden Haushaltsmitteln."

Extremismus, Populismus, Geduld und Widerstand

Auch Wolfgang Schneider, Vorstandsvorsitzender des Fonds, warnt in seiner Rede zum Tabori Preis 2025, der im Rahmen des BUNDESTREFFEN25 an das Kinder- und Jugendtheaterkollektiv pulk fiktion vergeben wird: „Die rechtspopulistische Politik will die Revision all dessen, wofür die Freien Darstellenden Künste all die Jahre gearbeitet haben – wir lassen nicht zu, dass man dem freien Theater die gesetzlich garantierte Freiheit nimmt.“ Der Theatermacher George Tabori sei nicht zuletzt immer ein Freigeist gewesen, gegen jede Konvention und für alle Experimente engagiert. Der Tabori Preis ist die höchste Auszeichnung für die Freien Darstellenden Künste in Deutschland und wird in seinem 16. Jahr erstmalig an Akteur*innen aus dem Kinder- und Jugendtheater vergeben. „Danke fürs Ernstnehmen“, kommentiert Lisa Zehetner von pulk fiktion, ihre Kollegin Hannah Biedermann sagt: „Kinder und Jugendliche haben das Recht auf ihre eigene Kunst.“ Und der 17jährige Fynn Gregorius, der an der aktuellen Produktion „Unsere Grube“ mitwirkt, verortet den Preis in der Debatte um Demokratie: „Wir brauchen diese Art von Jugendkultur, um extremistischen Strömungen entgegenzuwirken.“

© Dorothea Tuch

Moderator Tobi Müller fragt seine Podiumsgäste ebenfalls nach Möglichkeiten der Künste, auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren. Carena Schlewitt, Intendantin von HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste in Dresden, arbeitet seit dem Jahr 2018 in einer Stadt, die wie kaum eine andere von der Bewegung Pegida als einer der Wegbereiterinnen des erstarkenden Rechtspopulismus geprägt wurde. Heute ist die AfD stärkste Kraft im Dresdner Stadtrat. Bereits 2019 behauptete sie, die „Agitprop-Kunst" in HELLERAU stehe der „sächsischen Heimatidentität“ entgegen. Dennoch bleibe die Herausforderung, so Schlewitt, das Haus sowohl für Experimente als auch für die breite Bevölkerung zu öffnen und über möglichst viele verschiedene Formate mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen: „Es geht um kleine Schritte, darum, immer wieder zu erklären, was die Freien Darstellenden Künste sein könnten.“

Sprache und Selbstwirksamkeit, Bedürfnis und Daseinsberechtigung

Die Autorin und Theaterregisseurin Nino Haratischwili, die Zensurerfahrungen aus ihrem Herkunftsland Georgien mitbringt, fordert dazu auf, die Problematik globaler zu betrachten: „Die West/Ost-Trennung funktioniert nicht mehr, die Gesetzmäßigkeiten in Westeuropa und den USA sind aufgehoben.“ Die ideologischen Kriege seien längst nicht mehr nur lokal oder regional. Kulturanthropologe und Kurator Julian Warner lenkt die Aufmerksamkeit auf die Art und Weise, wie über Kunst und Kultur gesprochen werde – und auf die Art der damit verbundenen Sprache. Er weist auf eine Kluft hin: zwischen hochgerüsteten, intellektuellen Formulierungen, die oft notwendig seien, um Projekte nach innen oder außen zu rechtfertigen, und Einladungen zu Kunst und Kultur, die alle meinen und erreichen. Warner erzählt von einem kleinen Jungen, der zum Festival OSTEN in Bitterfeld täglich nur wegen der Wasserrutsche von raumlaborberlin angereist kam: „Wenn ich so etwas hergestellt habe, war ich selbstwirksam.“ Zugleich ist er sicher: „Wenn die Sprache auf dem Weg dahin maximal entfernt von der herzustellenden Situation ist, dann stimmt etwas nicht.“

Warner beklagt außerdem, dass Politik sich kaum für den Eigenwert der Kunst interessiere und diese zu oft für Effekte wie Teilhabe instrumentalisiere. Das liege auch an mangelnder Expertise: „Es gibt fast keine Kulturpolitiker*innen mehr.“ Ob es bereits eine Funktionalisierung der Künste sei, wenn die Politik von ihnen erwarte, Demokratie zu stärken, hakt Müller nach. Haratischwili wiederum versteht die regelmäßig wiederkehrenden Debatten um eine Daseinsberechtigung von Theater nicht, die es in der Literatur so gar nicht gebe: „Wir sollten den Jahrtausenden vertrauen, die das schon existiert – offenbar gibt es ein Bedürfnis nach Geschichten, das ist doch Berechtigung genug.“ Ob das dann die Demokratie stärke? „Side effects sind doch super“, sagt Haratischwili. Jede Diktatur unterdrücke zudem gleich zu Beginn erstmal die Kultur, ergänzt sie: „Warum wohl, wenn das alles irrelevant ist?“ Darüber hinaus sei Kunst immer politisch, selbst eine romantische Komödie aus Hollywood erzähle ja etwas über Sehnsüchte – und damit über Perspektiven auf Gesellschaft.

Neue Systeme und neue Kooperationen, Haltungen und Debatten

Schlewitt sieht in der Debatte über gesellschaftliche Relevanz des Theaters viel Potenzial für Veränderungen: „Das deutsche Theatersystem müsste schon lange an neuen und vielfältigeren Strukturen arbeiten.“ Das Stadttheatermodell sei festgefahren, es sei Zeit für gemeinsame Think Tanks mit freien Theatern. Schlewitt ist sicher: „Wenn wir diese Dichte erhalten wollen, müssen wir in den nächsten zehn Jahren was anders machen.“ Auch Warner sieht Zusammenarbeit als Chance für mehr Relevanz: „Es geht um ein commitment to space, darum, sich auf Orte einlassen und dort dann Partner zu finden, die kulturelle Projekte gemeinsam tragen.“
 

© Dorothea Tuch

Im Nachdenken über Debatten, Konflikte und daraus resultierendes Handeln schließt sich ein von Janis El-Bira moderiertes Podiumsgespräch fast nahtlos an solche Statements an. Die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach bringt dazu Thesen aus ihrem Buch „Defekte Debatten – Warum wir als Gesellschaft besser streiten müssen“ mit, das sie gemeinsam mit Korbinian Frenzel veröffentlicht hat. Die Aktionskünstlerin Cesy Leonard, Gründerin des Kollektivs Radikale Töchter, hat unter anderem Ideen aus ihrem Buch „MACHEN MACHT MUT – Gegen die Gleichgültigkeit“ dabei. Leonard sagt, in der Kunst gehe es letztlich darum, Menschen zu inspirieren, auf ihr Umfeld Einfluss zu nehmen – das sei zwangsläufig politisch. Es gehe darum, dass die Kunst Verantwortung übernehme.

Unübersichtlichkeit und Polemisierung, Defekte und Handwerkszeug

Auch Reuschenbach hält die Autonomie der Kunst für einen Idealtyp: „In der Debattenkultur kann sich Kunst dem Anspruch an Positionierung nicht mehr entziehen.“ Es könne zum Problem werden, in Bekenntnisse gezwungen zu werden: „Wie legitim ist es, erstmal keine Haltung zu haben, diese noch finden zu müssen?“ Leonard hält dagegen: „Noch keine Haltung zu haben, ist auch eine Haltung.“ Es gehe nicht immer gleich um die Suche nach großen Lösungen: „Dann verlieren viele schnell den Mut, anzufangen.“ Reuschenbach sieht eine Ursache für Probleme in der Debattenkultur darin, dass die Welt unübersichtlicher geworden sei: „Die Sehnsucht nach Sortierung und Klarheit ist groß.“ Das mache Polemisierungen so erfolgreich, die Diskurse verunglimpften: „Wir schaffen es nicht, die Komplexität der Dinge in der Welt in der Komplexität von Debatten abzubilden.“ Reuschenbachs gute Nachricht: „Defekte Debatten lassen sich reparieren.“

Leonard erinnert: „Es gibt Gegenden, in denen man es sich nicht leisten kann, keine Haltung zu haben – dort übernehmen jene, die laut sind und Hass verbreiten, das Feld.“ Dort gelte es für die Kunst vor allem, zu moderieren, Gleichgültigkeit aufzubrechen: „Manchmal ist uns die Wut lieber.“ Polarisierung sei aus der Sicht der Politikwissenschaft sehr wünschenswert, wirft Reuschenbach ein: „Das Problem ist affektive Polarisierung, die statt Unterscheidung mit Lagerdenken arbeitet und anderen die Legitimität zum Diskurs abspricht.“ Leonard argumentiert, es fehle das Handwerkszeug, mit Konflikten produktiv umzugehen. Es gehe darum, Menschen glauben zu lassen, dass sie etwas verändern könnten. Und sie ergänzt: „In manchen ländlichen Räumen gibt es Menschen, die machen seit 20 Jahren Theater gegen rechte Ideologien, die haben nie Aufmerksamkeit bekommen – diese Leute müssen wir wertschätzen und sichtbar machen.“

Wünsche, Wirksamkeit und Weiterdenken als Workshopergebnisse

In drei offenen und drei geschlossenen Workshops hatten alle Teilnehmer*innen beim BUNDESTREFFEN25 Gelegenheit, aus ihren jeweils individuellen Perspektiven, Rollen und Haltungen heraus selbst aktiv in einen Austausch über Wirksamkeit, Handlungsspielräume, Bedarfe, Potenziale und Visionen zu gelangen. Deutlich wurde in den offenen Workshops vor allem die Sehnsucht nach gerechter Verteilung und dem Teilen von Handlungsräumen, um Konkurrenzkämpfen entgegenzuwirken, der Wunsch nach einer generellen Wertschätzung der Kunst als Kunst, das Ablehnen von Symboldebatten und die Forderung, Kunst als gesellschaftliche Kraft zu stärken und zu bewahren. Felizitas Stilleke fasst als Kuratorin der Workshops abschließend zusammen: „Die Show muss nicht nur weitergehen, sondern über sich hinauswachsen.“

© Dorothea Tuch

Für den geschlossenen Workshop zu neuen Narrativen und Formaten der Kunst plädierte Heinrich Horwitz abschließend für offene und zugleich stabile Rahmenbedingungen und eine dynamische Förderung, für „Kulturpolitiker*innen, die Expertise und Liebe mitbringen“, für einen Schutz vor politischer Vereinnahmung und dafür, Kultur nicht als Ware, sondern als Gemeingut zu verstehen. Im Fazit des geschlossenen Workshops zu Interessenvertretungen formulieren Anne Steinkamp und Helge-Björn Meyer den Wunsch nach Legitimierung sowie Beteiligung auf Augenhöhe und mit Transparenz, nach Gestaltungskompetenz und Agilität, nach lernenden Organisationen statt starren Institutionen, nach dem Ausgleichen von Ungleichgewichten und nach nachhaltigen Entwicklungen. Den geschlossenen Workshop für und mit Festival- und Theaterleiter*innen fasste Annemie Vanackere mit dem Wunsch nach Vertrauen und Beständigkeit, nach einem Ende der Projektlogik, nach einem gemeinsamen Arbeiten an langfristigen Perspektiven und nach Internationalität zusammen. „Wir müssen starke Strukturen entwickeln und der Politik anbieten“, sagt sie – dabei gehe es zunächst nicht so sehr um Ergebnisse, sondern darum, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren.

Kulturpolitik, Kulturkampf, Ressourcen und starke Bekenntnisse

All die Wünsche und Forderungen, Visionen und Manifeste, die innerhalb kurzer Zeit aus den Workshops vorgetragen werden, sind in ihrer kreativen Gesamtheit auf die Schnelle kaum zu fassen. Martin Rabanus, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zeigt Interesse und wünscht sich in seinem Abschluss-Statement zum BUNDESTREFFEN25, diese Ergebnisse im Nachgang zur Verfügung gestellt zu bekommen. Er selbst fordert resiliente Institutionen ein, gerade in Zeiten, in denen Kulturszene und demokratische Gesellschaft massiv unter Druck stünden. Die Gefahr für eine freie Kunst und Kultur von rechts sei groß, so Rabanus – alle demokratischen Kräfte müssten deshalb zusammenhalten. Er ist stolz darauf, dass die aktuelle Regierung begonnen habe, die Kürzungen beim Fonds Darstellende Künste zu reparieren und so die freie Szene wieder zu stärken. Und er bekräftigt: „Es geht in der Kulturpolitik darum, Rahmenbedingungen schaffen, nicht Inhalte festzulegen.“

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Auch Ottilie Klein, kulturpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, betont: „Kunstfreiheit zählt zu den Grundwerten.“ Sie ergänzt: „Der Kulturstaatsminister ist da sehr klar.“ Sie plädiert für Planbarkeit und Flexibilität in der Förderung. Und auch sie freut sich über die deutliche Erhöhung der Mittel für den Fonds. Sven Lehmann, kulturpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzender im Ausschuss für Kultur und Medien des Bundestags, bringt schließlich die Sorge zum Ausdruck, die aktuelle kulturpolitische Debatte werde auf Hochkultur und Leuchttürme verengt. Er wünscht sich vielmehr eine Verbindung von künstlerischer Exzellenz und kultureller Bildung – bei einem unbedingten Bewahren einer Unabhängigkeit der Kunst. Er freut sich über die Fähigkeit gerade der freien Kunst, Strukturen und Mechanismen zu unterwandern und beklagt Angriffe auf Kultur von ganz rechts. „Wir brauchen jetzt einen Minister, der sich schützend vor Kultur und Medien stellt – keinen Kulturkämpfer, sondern jemanden, der für die Kultur kämpft.“ Abschließend betont Lehmann: „Kultur darf politisch sein, muss es aber nicht.“

Wissen wir wirklich, wofür wir leben?

Holger Bergmann freut sich über die klaren Bekenntnisse aus der Kulturpolitik: „Wir können alle beruhigt sein, dass da Menschen in den Ausschüssen sitzen, die für die freie Kultur streiten.“ Er blickt zufrieden auf das BUNDESTREFFEN25 zurück: „Gut dass wir alle gemeinsam über unseren Stand nachgedacht haben, Differenzen thematisiert und unterschiedliche Interessen, Schwerpunkte und Aufgaben formuliert haben.“ Nach dem kritischen Blick auf die eigenen Rollen gehe es jetzt darum, nach dem Verbindenden zu suchen, „mit Menschen zu sprechen, mit denen wir bislang noch nicht gesprochen haben, Allianzen zu bilden, die größer sind als wir selbst“. Es sei wesentlich, sich in der Szene nicht immer nur selbst zu reproduzieren und die Geschichte des freien Produzierens nicht als Generationengeschichte zu erzählen: „Was kommt, wenn wir keine Rolle mehr einnehmen?“ Und natürlich darf ein Zitat aus Queens „The Show Must Go On“  nicht fehlen: „Do we really know what we are living for?“ Bergmann endet optimistisch und poetisch: „Die Künste können uns darauf eine Antwort geben, während wir sie im Leben nicht wirklich finden.“