Initialförderung (Sep 2019)
Date of the jury meeting: 09 October 2019
Projects funded: 8
30 Jahre nach dem Mauerfall. Seither prägten Bilder der Menschen Ost-Deutschlands die Medien, deren Autor*innenschaft meist in den Händen westdeutscher Medien und Vertreter*innen blieb. Wie sähe die kollektive Erinnerung aus, hätten sich alle an der Geschichtsschreibung beteiligt? Welche Auswirkung hätte dies auf Narrative in den darstellenden Künsten? Die Recherche versucht ein Korrektiv für vorherrschende Narrative über Erfahrungen und Identität der Menschen aus der ehemaligen DDR für den Kunst- und Kulturbetrieb anzubieten.
Welche Formen körperlicher, psychischer, struktureller oder sozialer Gewalt wirken auf Akteur*innen in der klassischen Musik? Erprobt wird, ob und in welcher Form eine interdisziplinäre Herangehensweise (theoretische Überlegungen, persönliche Erfahrungen, Feldforschung und künstlerische Transformation) an die Beziehung von Ästhetik und Gewalt neue künstlerische Möglichkeiten und produktive Verbindungen von Diskurs, Darstellung und Musik im Bereich des zeitgenössischen Musiktheaters eröffnet.
Wie gehen wir mit historischen Personen um, von denen kaum etwas überliefert ist – schon gar nicht in der ephemeren Kunstform des Tanzes, die immer nur im Jetzt funktioniert? Diese Recherche befasst sich mit dem Feld der Memory Studies, beispielhaft am Schaffen des Tänzers Alexander Camaro. Dazu wird die Methode der Oral History angewendet, aus diesem Material wird dann wiederum um ein Online-Archiv entstehen, in dem die Interviews und Dokumentationen der Recherche veröffentlichen werden.
Manchmal verschwinden Künstler*innen für eine Weile aus der öffentlichen Wahrnehmung weil sie nicht mehr auftreten. In der freien Szene geht das ohne offiziellen Abschied, ohne Krankschreibung, weil es keine langfristigen Verträge aufzulösen gibt. Doch solch ein Abgang kann den Blick auf Produktionsbedingungen, Beziehungen und den ästhetischem Output schärfen. Dieses Vorhaben untersucht, was Brüche und (temporäre) Ausstiege für Künstler*innenbiografien bedeuten und was sie über die offiziellen Produktionssysteme aussagen.
Die Webseite Operabase veröffentlicht jährlich eine Statistik zu den weltweit meistgespielten Opern-Produktionen Diese dient als Grundlage, um den Opernkanon aus feministischer Perspektive zu untersuchen. Welche Geschichten von Frauen werden erzählt? Worüber singen, was verhandeln sie? Die Statistik: 40% überleben; 20% sind beim Applaus unversehrt; 60% sterben; 30% sterben eines natürlichen Todes; 20% an Selbstmord. Was sagt dieses Resümee über die Tropen von Frauenfiguren in der Oper aus? Wie kann man sich mit dieser Tradition heutzutage auseinandersetzen?
Das eigene Archiv-Modell mit Wissenschaftler*innen und Kollektiven zu testen und mit Netzwerken wie der Initiative der Archive des Freien Theaters e.V., dem LaFT Niedersachsen und Mime-Centrum weiterzuentwickeln ist das Ziel dieses Vorhabens. So soll das Archivieren in der Freien Szene als eine gemeinsame ästhetische Praxis erprobt werden. Bestenfalls entsteht dadurch ein neues Neben- und Beieinander diverser Theaterästhetiken.
Tobias Malcharzik zeichnet die Migrationsroute seiner Familie vom schlesischen Dorf Maków ins niedersächsische Marienwerder rückwärts nach. Ausgangspunkt ist der Begriff ‚Paskudnik‘, mit dem sein Großvater Männer bezeichnete, die er als schwach wahrnahm – oder den Enkel, wenn dieser den Teller nicht aufessen wollte. Was das Wort genau bedeutet? Unklar. Der Großvater ist tot und der Vater kann sich nur vage erinnern. Für die Recherche werden Stationen der Migrationsroute aufgesucht, um die Familienerinnerung durch aktuelle Erzählfragmente zu erweitern, Identitätskonstruktionen zu befragen und Paskudnik als erinnerungspolitische Kunstfigur zu erforschen.
Was bedeutet es, als Künstler*in zu altern und welche Rolle spielt das Alter in der Kunst? Welchen gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen sieht man sich zunehmend ausgesetzt? Welche neuen Qualitäten bietet das Alter sowohl in der Kunst als auch generell? Über einen Zeitraum von ca. 8 - 10 Wochen soll im Rahmen einer dialogischen Recherche sowohl miteinander als auch im Austausch mit älteren und jüngeren NRW-Kolleg*innen diesen und weiteren Fragen nachgegangen werden.