Bundesweite Artist Labs 2023
Freie Künstler*innen und ihre Erkenntnisse zu Fragen rund um das Publikum der Darstellenden Künste in einer postpandemischen Gegenwart – eine Evaluation
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt: Das Publikum der Freien Darstellenden Künste reicht längst über den Theatersaal hinaus. Es streift durch virtuelle Theaterstätten, partizipiert an Audiowalks unter freiem Himmel, wählt sich bundesweit in Online-Performances ein und wird nicht nur digital immer häufiger selbst zur Akteurin. Der temporäre Rückgang des Live-Publikums ging so gleichzeitig mit dem Zugewinn neuer Publika einher.
Dank der umfassenden Förderung der Darstellenden Künste im Rahmen der Corona-Hilfen der Bundesregierung wurden die herausfordernden Pandemie-Jahre zum Experimentierfeld: Förderprogramme des Fonds Darstellende Künste zielten nicht nur auf die Existenzsicherung von Künstler*innen und Theaterorten, sondern insbesondere auf die Ermöglichung einer Kunstproduktion unter veränderten Vorzeichen und auf die Erschließung neuer Möglichkeits- und Begegnungsräume mit den suspendierten Publika.
Postpandemie und Publika
Im Sinne einer Evaluation dieser Förderprogramme schreibt der Fonds Darstellende Künste einen Open Call für die Durchführung bundesweiter Artist Labs aus, in deren Rahmen sich Kunstschaffende aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit Fragen zu Publikum und Publika auseinandersetzen sollen. Welche neuen Wege haben die Freien Darstellenden Künste zu ihren Publika erschlossen? Welche Möglichkeiten der Publikumsbindung und -generierung sind entwickelt worden – und welche Formate zur Rückgewinnung der Zuschauer*innen nach der Wiedereröffnung der Theater und Spielstätten? Mit welchen Inhalten, Ästhetiken und Angeboten erreichen die Freien Darstellenden Künste auch diejenigen, denen der Zugang zu Kunst und Kultur oft erschwert scheint, wie bspw. geringfügig entlohnten Personen oder Menschen mit niedrigen Bildungschancen? Wer hat teil? Und: Wer fehlt (immer noch)?
Call for concepts (geschlossen)
Für den Zeitraum vom 01.07. bis zum 31.10.2023 vergibt der Fonds Darstellende Künste Aufträge zur kritischen Revision der vergangenen drei Jahre. Künstler*innen, Kunstschaffende und Kreative aus den Freien Darstellenden Künsten aller Genres und Sparten aus dem gesamten Bundesgebiet sind eingeladen, ihre Ideen für eine thematische Auseinandersetzung in selbst-verantworteten, austauschbasierten Laborformaten rund um Fragen der Publikumsgewinnung und -bindung im Rekurs auf Erfahrungswerte vor, während und nach der Pandemie einzureichen. Inhaltliche Schwerpunktsetzungen können dabei etwa auf spartenspezifischen oder räumlich-strukturellen Herausforderungen, Fragen der Diversität und Zugänglichkeit, Nachhaltigkeitsaspekten und/oder Digitalität liegen. Ein multiperspektivisches Gremium aus Expert*innen unterschiedlicher Sparten wählt unter dem Aspekt der thematischen Vielfalt die schlagkräftigsten Konzepte aus und empfiehlt deren Beauftragung durch den Fonds Darstellende Künste.
Die Ausschreibung erfolgt unter Vorbehalt der Mittelfreigabe durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Die Einreichfrist für den Open Call endete am 22. Mai 2023. Der Versand der Zu- und Absagen erfolgt in der zweiten Juni-Hälfte.
B.A.L.L. - Bundesweites Artist Labor der Labore
Am 20. & 21. Oktober 2023 lädt der Fonds Darstellende Künste als Knotenpunkt aller Evaluations-Labore zu einem zweitägigen Diskussions- und Austauschformat, dem zweiten „Bundesweiten Artist Labor der Labore“. Die Veranstaltung findet auf Kampnagel in Hamburg statt und dient dem gemeinsamen, sparten- und schwerpunktübergreifenden Weiterdenken der Ausgangsfrage. Eine Dokumentation des ersten B.A.L.L. – Bundesweites Artist Labor der Labore in den Berliner Festspielen 2022 sowie der vorausgegangenen Artist Labs finden Sie hier.
Kontakt
Bei Fragen zum Verfahren wenden Sie sich bitten an Anna Kondring (email hidden; JavaScript is required).
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Gremium
Benjamin Foerster-Baldenius
Architekt, raumlaborberlin | Berlin

Benjamin Foerster-Baldenius studierte Architektur in Berlin und Kopenhagen. Er leitete zwei Theatergruppen und gründete 1999 das „Institut für angewandte Baukunst“ in Berlin. Zudem ist er seither Teil des Kollektivs raumlaborberlin und arbeitet an der Kultur der Stadt und des öffentlichen Raums. Er ist Gründer der Floating University, deren Verein er seit 2018 vorsteht und für welche raumlaborberlin 2021 den goldenen Löwen der Archieturbiennale in Venedig bekam. Er realisierte 2021 zwei Theaterbauten in Frankfurt. Dort ist er Professor für Cohabitation an der Städelschule, Hochschule für Bildende Künste.
Dan Thy Nguyen
Theaterregisseur, Schriftsteller, Festivalleitung | Hamburg

Dan Thy Nguyen ist freier Theaterregisseur, Schauspieler, Schriftsteller und Sänger in Hamburg. Er arbeitete an diversen Produktionen u.a. In Ballhaus Naunynstraße, auf Kampnagel, dem Mousonturm Frankfurt, dem MDR und an der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. 2014 entwickelte und produzierte er das Theaterstück „Sonnenblumenhaus“ über das Pogrom von Rostock -Lichtenhagen, welches 2015 in seiner Hörspielversion die „Hörnixe“ gewonnen hat und bis heute noch an diversen Institutionen gespielt wird. Seit 2020 leitet er mit seiner Produktionsfirma Studio Marshmallow das Hamburger Festival "fluctoplasma - 96h Kunst Diskurs Diversität" und er ist stellvertretender Vorstand der LAG Kinder- und Jugendkultur Hamburg. 2021 erhielt er zusammen mit dem Gesamtensemble den Deutschen Hörspielpreis für seine schauspielerische Leistung.
Mable Preach
Regisseurin | Hamburg

Mable Preach ist seit vielen Jahren in der Hamburger Kunstszene präsent – als Regisseurin bzw. Choreografin, als Kuratorin und Netzwerkerin. Sie ist Initiatorin des Festivals für urbane BIPoC-Jugendkultur FORMATION**NOW und Leiterin des Kultur- und Jugendvereins Lukulule. Zuletzt hat sie ihre Regiearbeit EMB*RACE YOUR CROWN** im Rahmen der Spielzeiteröffnung auf Kampnagel gezeigt. In ihrer Arbeit setzt sie sich kritisch mit Rassismus und (Neo-)Kolonialismus auseinander, fördert Empowerment und produziert alternative Bilder und Erzählungen zum weißen Mainstream.
Moritz von Rappard
Kurator, Regisseur, Dramaturg | Berlin

Moritz von Rappard hat Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, Germanistik und Pädagogik an der Universität Köln studiert. Nach vielfältigsten Projekten als Kurator, Regisseur und Dramaturg sowie einer Zusatzqualifikation als Moderator und Mediator beschäftigt er sich seit 2015 zunehmend mit Partizipationsformaten sowie Öffnung und Teilhabe in Kulturinstitutionen. So entstand im Rahmen des von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien initiierten Kompetenzverbunds KIWit die g3-Methode für besseres Arbeiten in heterogenen Gruppen. Darüber hinaus ist er Mitbegründer des Beratungs- und Entwicklungsnetzwerks „HANDS ON“ und seit 2021 in der Kulturpolitischen Gesellschaft im Sprecher*innenteam der Regionalgruppe Berlin-Brandenburg aktiv.
Laia Ribera Cañénguez
freischaffende Theatermacherin | Berlin

Laia RiCa, geboren in El Salvador, hat Physical Theatre in Barcelona und Theaterpädagogik an der Universität der Künste Berlin studiert, wo sie gerade promoviert. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Dokumentar- und Objekttheater, zwischen Performance, Physical und Visual Theatre, mit einem starken Bezug zur bildenden Kunst. 2015 zog Laia aus Mittelamerika nach Deutschland. Im „Dazwischen-Sein“ verschiedener Sprachen, Theatergenres und Geographien sucht sie einen utopischen Raum, um eigene und strukturelle Gegensätze, Paradoxien und Widersprüche zusammenzubringen. Dabei beschäftigt sie sich vor allem mit feministischen, dekolonialen und queeren Perspektiven. Zusammen mit KMZ Kollektiv hat Laia in den letzten Jahren die vielfach preisgekrönte Inszenierung „Kaffee mit Zucker?” (2021) und das Stück „FÜNF EXPONATE“ (2023) inszeniert und performt. Die Gruppe KMZ Kollektiv entwickelt eine eigene visuelle, biografische und dokumentarische Ästhetik. www.laiarica.com
Anne Schneider
freie Regisseurin, Konzepterin, Moderatorin | Berlin

Anne Schneider ist freie Regisseurin, Konzepterin und Moderatorin. Sie ist Gründungsmitglied der Kollektive MischPULK (Hamburg) und Kollektiv nachhaltige Kultur (Berlin). Von 2017 bis Februar 2021 arbeitete sie als Geschäftsführerin des Bundesverbands Freie Darstellende Künste, von 2014 bis 2017 war sie Künstlerische Leiterin des Festivals Hauptsache Frei, nachdem sie in den Jahren davor das Kaltstart Festival geleitet hatte.
2021 konzipierte und moderierte Anne Schneider im Auftrag des Kulturreferats München einen partizipativen Evaluationsprozess zur Förderstruktur für die freien darstellenden Künste in München. Seit 2021 arbeitet sie außerdem eng mit der Theaterwerkstatt Pilkentafel für die Erstellung eines digitalen Archivs der Spielstätte zusammen. Sie war und ist Mitglied in verschiedenen Jurys und Beiräten, so z. B. im Beirat des LOFFT Das Theater oder in der Jury für die Vergabe der Spitzenförderung in NRW.
Felizitas Stilleke
Freie Dramaturgin, Kuratorin | Berlin, Amsterdam

Felizitas Stilleke ist freie Dramaturgin, Künstlerin und Kuratorin.
Sie leitet Konferenzen, wie z.B. den B.A.L.L. – Bundesweites Artist Labor der Labore 2022, den Branchentreff 2019-2021, das Bundesforum 2017 oder den RATSCHLAG DER VIELEN 2019, und übernimmt Festivaldramaturgien (Berliner Theatertreffen 2018, Impulse Theaterfestivals 2017 (unter Florian Malzacher) oder gemeinsam mit Johanna Yasirra Kluhs das Theaterfestival FAVORITEN 2014) und ist als Produktionsdramaturgin in NRW, Berlin, Amsterdam und Zürich unterwegs.
Sie absolvierte ihren Bachelor der Germanistik/Erziehungswissenschaften in Bochum sowie einen Master in Kulturpoetik an der Wilhelms-Universität in Münster. 2018/19 studierte sie im Rahmen des internationalen Masterstudiums bei DAS theatre in Amsterdam „Expanded Curation“.
2020 startete sie am Ballhaus Ost eine Reihe von Podcast-Sessions unter dem Titel „The Mother in Me is the Mother in You“, in welcher sie das Thema Nicht-/Noch-nicht-/Nicht-mehr-/Vielleicht-/Mutterschaft einer kollektiven Diskursumwidmung unterzieht.
Mateusz Szymanówka
Tanzdramaturg Sophiensæle, künstlerischer Leiter Tanztage Berlin | Berlin

Mateusz Szymanówka ist Dramaturg und Kurator und arbeitet derzeit an den Sophiensælen in Berlin, wo er für das Tanzprogramm und die Kuration der Tanztage Berlin verantwortlich ist. Außerdem ko-kuratierte er Programmschwerpunkte und Themenfestivals Queer Darlings 3 (2022), Queer Darlings 4 (2023) und Leisure & Pleasure (2023). Von 2019 bis 2020 entwickelte er zusammen mit Michał Grzegorzek das performative und diskursive Programm To Be Real im Zentrum für Zeitgenössische Kunst - Schloss Ujazdowski in Warschau, das die Beziehung zwischen zeitgenössischer Performance und Clubkultur untersuchte. Von 2021 bis 2022 moderierte er gemeinsam mit Kasia Wolinska die Arbeitsgruppe „Work Culture“ innerhalb von ZTB Berlin, die das Booklet “How To (Make) Dance in Berlin - a Toolbox for a Better Work Culture in the Independent Dance Scene” veröffentlicht hat. Darüber hinaus hat er mit und für Institutionen und Initiativen wie Nowy Teatr, Teatr Studio und Pomada Queer Festival in Warschau, Kunstmuseum in Lodz, Art Stations Foundation in Poznan, HAU Hebbel am Ufer und Performing Arts Festival Berlin gearbeitet.
Prof. Caspar Weimann
Professur für Schauspiel | Düsseldorf

Caspar Weimann (er*/they) hat eine Professur und ein Mentorat für Schauspiel an der ADK Baden-Württemberg; ist eine initiierende Kraft des freien Internettheaters onlinetheater.live und der App „Loulu“ (Amadeu Antonio Preis 2021, Heidelberger Stückemarkt 2022); übernimmt die Seminar- und Workshopleitung zu digitalen und hybriden Theaterstrategien, zu partizipativem Theater im Netz und zur Theatralität von Social Media; hat eine Gleichstellungsbeauftragung an der ADK Baden-Württemberg mit bes. Fokus auf Queer Empowerment und beschäftigt sich mit einem Wandel des Schauspielbegriffs der Gegenwart.