Zusammenarbeit, die weiter wachsen kann
By Elena Philipp
Mit einer Netzwerk- und Strukturförderung konnte der Verband Deutscher Puppentheater e.V. seine Mitglieder über die Pandemie-Zeit begleiten und sich für die Zukunft stabil neu aufstellen.
Gemeinsam sind wir stark: Diese Erfahrung nimmt Matthias Träger aus dem Vorstand des Verbands Deutscher Puppentheater e.V. mit aus den Pandemie-Jahren. Gerade im Puppen-, Figuren- und Objekttheater ist die Vereinzelung seit jeher groß: Relativ wenige feste Strukturen oder Spielstätten gibt es, viele Spieler*innen sind im Solo, Duo, bestenfalls Trio unterwegs, um in Schulen, auf kleinsten Bühnen oder in kurzzeitig zum Theater umgewidmeten Gasthäusern oder Kulturvereinen ihre Kunst zu zeigen. „Man kann es sich in Metropolen wie Berlin, Hamburg oder München gar nicht vorstellen, wie viel Kunst ohne Förderung entsteht“, sagt Matthias Träger.
Corona hat ihn und seine Kolleg*innen besonders hart getroffen. „Wenn man keinerlei Fördergelder hat und keinen Arbeitgeber, der einen in Kurzarbeit schickt, und wenn alle Vorstellungen verboten werden, in ganz Europa, sitzt man auf dem Trockenen.“ Ein Rettungsanker war in dieser Situation für viele Spielstätten und Künstler*innen der Verband Deutscher Puppentheater, kurz VDP, schon 1968 gegründet und damit einer der ältesten noch bestehenden Künstler*innenverbände in Deutschland. „Da haben wir mal wieder gemerkt, wie wichtig Vernetzung ist.“ Raus aus der „kleinen Realität, die oft abgeschottet ist von großen Zusammenhängen“, lautete das Motto.
Rettungsanker waren ausgeworfen, vom Bund, von den Ländern, von Stiftungen und Institutionen wie dem Fonds Darstellende Künste. Und der Verband Deutscher Puppentheater unterstützte seine Mitglieder dabei, sich zu orientieren, die Programme zu verstehen, auszuwählen und korrekt Soforthilfe beziehungsweise Fördergelder zu beantragen.
Stabilen Austausch schaffen
Extrem viel gearbeitet habe der VDP in der Coronazeit, erzählt Matthias Träger, der, wie alle Beteiligten, ehrenamtlich tätig ist. Hauptberuflich ist er als freischaffender Puppenspieler und Figurenbildner mit seinem Tearticolo – einem mobilen „Ein-Personen-viele-Figuren-Theater“ – deutschlandweit unterwegs. Nach Stationen in Bremen, Paris und Perugia fand Tearticolo im Jahr 2006 seinen Sitz in einer ehemaligen Strickwarenfabrik in Klotten an der Mosel. Seither hat Matthias Träger einen anderen Blick auf den ländlichen Raum. „Hier, zwischen Hunsrück und Eifel, ist wenig angekommen, von den aktuellen Strömungen der zeitgenössischen Darstellenden Künste. Theater, das sind hier Amateurtheatergruppen, die lustige Schwänke in Moselplatt aufführen.“ Gerade darum ist es für die Akteur*innen zentral, einen dauerhaften, stabilen Austausch zu schaffen und einander zu empowern. Raus aus der kleinen Realität, ran an die großen Zusammenhänge.
Überlebenswichtig war es in der Pandemie, die Kolleg*innen zu unterstützen. Zwei Förderungen erhielt der VDP aus den NEUSTART KULTUR-Programmen #TakeAction und #TakeHeart des Fonds Darstellende Künste. Bei #TakeAction ging es 2020/21 vor allem um die Stabilisierung des Sektors. „Durch den Fonds gab es erstmals eine Möglichkeit, dass Figurenspieler beantragen, die nicht vorher schon Gelder bekommen haben und die keine Leuchtturmprojekte sind, sondern mit qualitativ hochwertigem Figurentheater in Schulen und Kindergärten gehen“, sagt Träger. Etlichen von ihnen stand der VDP bei Erstanträgen beratend zur Seite. Damit seien viele Puppenspieler*innen finanziell über die Zeit der Pandemie gekommen.
Mehr Sichtbarkeit für die Kunst
An der eigenen Ausrichtung und einer Professionalisierung als Verband arbeitete der VDP ab Dezember 2021 mit einer Netzwerk- und Strukturförderung im Programm #TakeHeart. Unter dem Titel „Zukunftswerkstatt Figurentheater“ gab es in drei Bereichen die Möglichkeit, die Kunstform Puppen-, Figuren- und Objekttheater zu stärken. Auf der Webseite können die mehr als 140 VDP-Mitglieder nun ein Profil erstellen: „Bühnenbildner, Figurenspieler, Theatermusiker finden jetzt ein Forum, um ihre Arbeit anbieten zu können“, so Träger. Auch einen Veranstalterservice gibt es mittlerweile. „Ein Märchen als Marionettenspiel für Kinder ab 4 Jahren: Über diese Schlagwörter können Künstler ganz konkret gesucht und gefunden werden.“ Das erleichtert allen Beteiligten die Arbeit und trägt zu mehr Sichtbarkeit und damit: Auftrittsmöglichkeiten und Einkünften bei.
Organisieren konnte der VDP zudem ein Symposium bei seiner jährlichen Figurentheaterkonferenz. „Dort kommen seit 2016 die Kollegen zusammen. Das war ein Drama, als sie wegen Corona verschoben wurde“, erzählt Matthias Träger. 2022 fand die Konferenz in Northeim wieder statt, mit einem zweitägigen Symposium zum Thema Theater im öffentlichen Raum, das der VDP gemeinsam mit dem deutschen Zentrum der UNIMA konzipierte, der Union Internationale de la Marionnette. Da Straßen, Plätze, Parks während Corona auch für die Puppenspieler*innen enorm wichtige Veranstaltungsorte geworden waren, lag ihnen eine fachliche Vertiefung am Herzen. Wie motivierend es gewesen sein muss, einander wieder zu begegnen und gemeinsam auf dem Marktplatz die Ergebnisse der Seminare und Workshops zu Masken oder Großfiguren zu präsentieren, lässt sich noch auf den Fotos vom Symposium nachvollziehen.
Mit dem Masterplan gen Zukunft
Im dritten geförderten Projektteil widmete sich der Verband schließlich seiner langfristigen, zukunftsfähigen Ausrichtung, dem „Eingebettetsein in die großen Zusammenhänge“: mit dem „Projekt Masterplan“. Die drei Verbände für das Puppen-, Figuren- und Objekttheater in Deutschland – der Verband Deutscher Puppentheater und die UNIMA, die bereits miteinander kooperierten, und das Deutsche Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst (dfp) – schlossen sich erstmals eng zusammen. Schon 2019, erzählt Matthias Träger, hatten sie sich erstmals getroffen. Für eine Förderung aus Bundesmitteln verlangen die Fördergeber*innen von ihnen, ihre Arbeit dauerhaft zu koordinieren.
„Wie können wir gemeinsam etwas erreichen für die Szene?“, fragten sich die drei Verbände. Ein stetiger Austausch kam in Gang. Drei regelmäßig tagende Arbeitsgruppen zu den Themen Wissenschaft, Produktion und Aufführungspraxis sowie Aus-, Fort- und Weiterbildung wurden gegründet. An der Universität Leipzig schrieb die Professorin am Institut für Theaterwissenschaft Veronika Darian mit ihrem Team eine Vorstudie über die deutsche Figurentheater-Landschaft und ihren Entwicklungsbedarf. Ab 2022 wurde dieser Prozess begleitet von einem Coaching durch das Bureau Ritter. Mit dem Vernetzungsvorhaben „KompleXX Figurentheater“ bewarben sich VDP, UNIMA, dfp und 13 weitere Bündnispartner*innen schließlich beim Bundesverband Freie Darstellende Künste im Projekt „Verbindungen fördern“ – und erhielten Ende März die Förderzusage. „Verbindungen fördern ist genau das, was wir seit Jahren machen“, freut sich Träger. „Wir hoffen, dass mit dem Antrag eine neue Stufe erreicht ist, um das Figurentheater voranzubringen.“
Weg von der Vereinzelung, hin zu einer zukunftsfähigen Vernetzung: Der Verband Deutscher Puppentheater hat die Corona-Krise als Chance genutzt, seine Professionalisierung voranzutreiben und sich neu aufzustellen. Synergieeffekte sind entstanden, viel neues Wissen wird weiter wirken: „Es ist irre viel passiert, und durch die Förderung war es uns möglich, in alle Richtungen aktiv zu bleiben“, bilanziert Matthias Träger die letzten drei Jahre. „Dass wir Verbände den Antrag gemeinsam gestellt haben, war ein Riesenschritt. Er hat uns zusammengeschweißt“, sagt Träger. „Wir haben einen qualitativen Schub hingelegt, und es ist schön, dass das gewürdigt wird.“ Gemeinsam können sie jetzt noch stärker werden.
Von der Förderung in den Probenraum und auf die Bühne – die Kulturjournalist*innen Georg Kasch und Elena Philipp besuchen im Rahmen von #TakeHeart des Fonds Darstellende Künste geförderte Projekte.