Projektförderung (Mai 2019)

Date of the jury meeting: 12 June 2019

Projects funded: 19

Wer hat die Macht? Wie entsteht sie? Warum lassen wir uns unterwerfen? MACHT#1 erforscht das System hinter Über- und Unterordnung und welche Eigenschaften zu dem jeweils einen oder anderen befähigen. the guts company geht der These „ohne Masse, keine Macht“ nach. Als Duett beginnend wird die Bühnenproduktion schließlich zu einem Stück der Vielen und erhöht das Medium der Video-projektion als „Masse im Digitalen".

Dea Ex Machina ist eine performative Begegnung von Bühnentechnik und Körpern, von Technikerinnen und Spielerinnen. SWOOSH LIEU bringen damit das Konstrukt von natürlichen Körpern und normativen Bühnenräumen ins Wanken. Frei nach Donna Haraway wird dies ein Plädoyer „die Verwischung der Grenzen zu genießen und Verantwortung bei ihrer Konstruktion zu übernehmen.“

Alte Körper werden gesellschaftlich vor allem über Defizite definiert, darüber, was sie NICHT mehr können. Gleichzeitig konfrontieren alte Körper die Jüngeren mit der eigenen Vergänglichkeit. Mit einer Recherche in Altenheimen entsteht die Tanzproduktion dreams in a cloudy space von Antje Velsinger, die innerhalb der Leistungs- und Optimierungsgesellschaft einen alternativen Blick auf alte Körper ermöglicht.

Markus&Markus lassen sich in DIE BERUFUNG von Menschen ausbilden, die täglich im Klei-nen unsere Demokratie verteidigen und begleiten dies mit der Kamera. Daraus entsteht ein Stück, das zeigt, wie im Öffentlichen Raum Herzen über Hakenkreuze gemalt werden und das von der Bühne zurückwirkt in die Region jenseits der Theatermauern.

Die Tanzperformance von Gloria Höckner „Futurecore 2000 – All Beats Are Beautiful“ ist eine choreographische Auseinandersetzung mit apokalyptischen Zukunftsvisionen innerhalb der Techno-Kultur. Mit akustischen Welten entwickeln drei Performerinnen und eine Soundkünstlerin Laboratorien in denen Sound und Körper sich zu immer neuen utopischen Formen zusammenschließen, die fiktive Welten entstehen lassen oder deren Ende ankündigen.

Goodbye Norm von SOZIALE FIKTION greift aktuelle Debatten um sich verändernde Normalitätsvorstellungen auf und richtet den Fokus auf das, was als normal gilt. Inszeniert wird der peinliche (letzten) Auftritt einer allegorischen Figur namens "Norm", die die Regeln und Konventionen des gesell-schaftlichen Zusammenlebens herunterbetet – während u.a. mittels Slapstick körperliche Kontrollver-luste und Scham um sie herum inszeniert werden.

GRUSEL GRUSEL (AT) ist eine Performance von DIE NEUE KOMPANIE für Kinder ab 6 Jahren. In den Händen von vier Performerinnen verwandeln sich Pfeffer- und Salzstreuer in Monster und jene Figuren des Schreckens, die rund um den Globus erfunden wurden. Fürchten wir uns vor den gleichen Dingen? Oder gruselt eine japanische Geistergeschichte anders als ein bulgarischer Wolf? Sicher ist: Kinder gruseln sich gerne, auch gemeinsam, egal wo auf der Welt.

In KONTROL einem Selbstexperiment dokumentiert die ehemalige Leistungsschwimmerin Patricia Mai, wie sie ihren Körper durch extremes Training auf Höchstleistung bringt und formt. Die anschließende Zeit der Stückentwicklung, ohne jegliches Training, zeigt den Verfall. Das daraus entstehende Solo ist ein getanztes Portrait, das die Veränderung von Körpermerkmalen und -konturen verarbeitet.

Düfte und Gerüche markieren soziale und kulturelle Herkunft, Geschlecht, Klasse. Es überschneiden sich auf besondere Weise Persönliches, Politisches, Philosophisches, Affekt und Kunst. In no smell in outer space (AT) wird Sandra Chatterjee die Dimensionen von Gerüchen und Düften verschränken, während formal die Abstraktion zeitgenössischer choreographischer Ansätze und poetisch-philosophischer Texte auf die Konkretheit dokumentarischer Verfahren treffen.

In PARZELLE 62 werden die Zuschauerinnen in einer Kleingartensiedlung selbst zu Voyeurinnen und Akteurinnen und tauchen in das räumliche Narrativ eines zurückgezogenen Laubenbewohners ein. Sie entdecken ein detailliert ausformuliertes Mikroversum, in dem Barbara Lenartz mit einer hermetisch dichten Gestaltung eine neue multisensorische Wirklichkeit konstruiert und jeder Zuschauerin die Bilder zu einem anderen Bild des Laubenbewohners zusammensetzt.

Gegen:über ist ein Stück vom Cargo-Theater ohne Worte mit Live-Musik, Geräuschen und Tönen für junges Publikum. Sie und Er leben Wand an Wand und stören sich mit ihren Alltagsritualen immer wieder gegenseitig: durch lautes Lachen, Saugen etc. Kann die/der nicht leiser sein? Doch eines Tages rollt ihre Apfelsine in seine Wohnung. Ach je, wo ist sie denn hin? Nanu, wo kommt die denn her? So begegnen sich beide statt sich übereinander zu ärgern.

RÜBERMACHEN- Ein interkulturelles Training für Ost‐ und Westdeutsche bejaht, dass sich während der deutschen Teilung zwei Kulturen herausgebildet haben. Mit interkulturellen Trainings und partizipativen Mitteln werden Ost und West im Rahmen der Bürgerinnenbühne des LICHTHOF Theaters (später auch in Halle(Saale)) ins Gespräch gebracht, um Verständnis füreinander zu wecken, Perspektiven zu wechseln und Unterschiede zu thematisieren.

Trial & Error - Im glänzenden Schattenreich des Scheiterns (AT) setzt sich mit der Angst vor dem Misserfolg auseinander. Deutschland liegt bei der Fehlertoleranz auf Rang 60 - von 61 befragten Ländern. Theater Strahl will mit dieser Produktion den Blick des (nicht nur) jugendlichen Publikums verändern. Lustvoll wird das Scheitern erprobt. Es geht schief, was schiefgehen kann. Und je näher man dem Desaster kommen, desto glamouröser und visionärer die Momente.

SHE HULK ist ein Tanzstück von Lisa Rykena und Carolin Jüngst, das hinter die patriarchale Erzähltradition des Mythos der Amazonen blickt. Im Rückgriff auf Comic-Figuren wie Wonder Woman oder Hulk, entdecken sie das queere Potenzial der Comic-Welt. Die (Super)Heldinnen befragen ihre eigene Heldinnenhaftigkeit, entziehen sich dem maskulinistischen (Einzel-)Held*innentums und feiern stattdessen Diversität und Solidarität.

„Die Pflicht zum Ungehorsam“ (Thoreau) ist mit der jungen Generation wieder zurückgekehrt. Fridays-for-Future ist nur ein Beispiel. In der Oper „The Wreckers“ (1906), der Komponistin Ethel Smyth – geht es um den Einsatz für Menschenrechte. Zwischen opulenter Oper und performativem Erlebnis inszeniert Kerstin Steeb mit STRANDRECHT Möglichkeits- und Erfahrungsräume für den politischen und ästhetischen Wandel. Sich im Alltag für Menschenrechte und Minderheitenschutz einzusetzen, ist oft leichter gesagt, als getan.

In The Users trifft erwachsenes Publikum auf eine Gruppe mit Tablets ausgestatteter Kinder, die erklären, was sie als User dort "tun". Durch ihre Beschreibungen werden sie zu Vermittlern zwischen virtueller Welt und dem realen Theatersaal. Das Projekt von Britt Hatzius knüpft an einen technologischen Generations-Entwicklungssprung an, erkundet das Interesse der Kinder an der Medienwelt und macht es für ein erwachsenes Publikum performativ erfahrbar.

Die Youtube-Videoformate des Unboxing haben ungeahnte Popularität entwickelt, zeigen aber nur das ganz profane Auspacken. Mit UNBOXING UNBOXING untersucht die geheimagentur in der Blackbox wie das Online-Format die szenische Kunst herausfordert. Unboxing ist bereits ein inszenierter Akt und zeigt den Übergang von sichtbar und unsichtbar, von Zeigen und Verbergen und thematisiert das Verhältnis und die Spannung von Privatem und Öffentlichem.

Der Walgesang, eine Kommunikationsform, die über enorme Entfernungen funktioniert. Er kann Liebeslied wie auch Futterton sein oder der Ortung der Familie dienen. In letzter Zeit wird er übertönt. Man muss lauter singen. Man strandet. In Whale Whale Song folgen HAUEN UND STECHEN gemeinsam mit dem Publikum dem Gesang der Buckelwale, lassen sich verschlingen, wie Jona und Pinocchio, um am Ende wieder ausgespuckt zu werden.

Die Figur der Hexe erlebt aktuell ein Revival. Auf Netflix, beim Hexenyoga oder als neue Startup-Idee in der Esoterik. Man zeigt und spricht über Hexen als hätte es sie je oder als würde es sie immer noch geben: Frauen, denen man übernatürliche Kräfte oder außerordentliche Macht zuschrieb. WITCHES von Ursina Tossi bringt popkulturelle Fantasien über Hexen mit historischen Quellen in Kollision und kombiniert diese mit der Propaganda aus „Der Hexenhammer“.