Tabori Auszeichnung 2022 - Jurybegründung: Simone Dede Ayivi
Mit der Tabori Auszeichnung 2022 ehrt die Fachjury des Fonds Darstellende Künste Simone Dede Ayivi. Sie wurde aus allen Künstler*innen und Gruppen, die der Fonds Darstellende Künste in den letzten fünf Jahren gefördert hat, ausgewählt.
Simone Dede Ayivi ist Regisseurin, Performerin und Aktivistin, drei Zuschreibungen, die sie auch in ihren künstlerischen Arbeiten vereint. Mit biografisch motivierten Themen rückt sie politische Kämpfe und Bewegungen, Schwarze Geschichte und Gegenwart, transgenerationale und feministische Themen in den Fokus ihrer Projekte. Durch die politischen und neu kontextualisierten Narrative ihrer Bühnenarbeiten hat sie substanziell zu einem Perspektivwechsel in den Freien Darstellenden Künsten beigetragen.
Simone Dede Ayivi steht zumeist selbst auf der Bühne, doch es sind viele Menschen, die in ihren Produktionen zu Wort kommen. "Homecooking" (2021) inszeniert einen gemeinsamen Kochabend, ein beeindruckend leichtes Format, in dem ein Raum geschaffen wird, schmerzvolle Themen der Rassismuserfahrungen miteinander auszutauschen. "The kids are allright" (2020) verbindet regionale und zeitliche Eindrücke – Kinder aus Familien mit Migrationserbe, die in Deutschland aufgewachsen sind, blicken gemeinsam auf das Leben ihrer Eltern. Bereits hier wird schnell klar, dass es im Zentrum von Simone Dede Ayivis Produktionen immer um eines geht: Solidarität. In verschiedenen ästhetischen Settings gelingt es ihr, Brücken zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Geschlechter zu bauen und immer einen Dialog zwischen ihnen und ihrer Community zu eröffnen. Die multiperspektivischen Recherchen changieren zwischen individuellen Erfahrungen und normativen Mustern, die es zu durchbrechen gilt. Dies birgt in ihren Inszenierungen immer die Möglichkeit, sich selbst und ein Gegenüber neu zu sehen und anders wahrzunehmen.
Seit ihrer ersten Produktion im Jahr 2012 hat sie ein sehr breites Netzwerk aus Künstler*innen und Kompliz*innen um sich gebaut, das ihre Konzeptionen trägt, erweitert und dessen Stimmen immer wieder eingebunden sind. Der kollektive Gedanke ist ein wichtiger Faktor ihrer Arbeitsweise und schließt nicht nur den Ideenpool und das Konzeptionieren ein. Die Liebe zum Theater und die Achtung vor der Expertise aller, die eine Performance zum Leben erwecken, verdeutlicht auch ihre neue Produktion Wetterleuchten, in der Bühnenarbeiter*innen die Theatermaschinerie im Theater Oberhausen zum Tanzen bringen, ohne eine*n Performer*in auf der Bühne.
Die Fachjury des Fonds Darstellende Künste vergibt die Tabori Auszeichnung 2022, dotiert mit 15.000 Euro, an Simone Dede Ayivi, die, gesamtgesellschaftliche Themen auf die Bühne bringt, dabei einmalige Formate findet, diese Themen zu verhandeln und damit die zeitgenössische Theaterlandschaft und ihre Produktionsweisen nachhaltig verändert. Zwischen Erinnern und Wiederfinden bringt sie auf beeindruckende Art und Weise politische Kämpfe, emanzipatorische Bewegungen und Schwarze Geschichte und Gegenwart auf die Bühne, wie es in der Szene der Freien Darstellenden Künste einmalig ist.